<\/p>\n
\u00a0<\/span><\/p>\n Woraus und wann ist eigentlich diese Trennung entstanden? Das dreigliedrige Schulsystem ist uralt<\/strong>.<\/p>\n Seine Anf\u00e4nge reichen in mittelalterliche Zeiten zur\u00fcck. Die Feudalgesellschaft transformierte sich im 18. Jahrhundert in die St\u00e4ndegesellschaft: Der Merkantilismus brachte den Aufschwung der Manufakturen und die landwirtschaftlichen Gesellschaft entwicklte die handgewerkliche Arbeitsteilung. Der preu\u00dfische Reformer Wilhelm von Humboldt, seines Zeichens Humanist, strebte dem Ende der Revolutionskriegen 1807 auf eine Erneuerung des Schulwesens. Paradoxerweise sprach er sich in seinen beiden Schulpl\u00e4nen anno 1809 gegen<\/strong> das gegliederte Schulwesen aus, seine Reformen f\u00fchrten jedoch ma\u00dfgeblich zu dessen Entstehung. Die machthabenden Kreise handelten: Die Reaktion hatte es auf diese Weise leicht, das dreigliedrige Schulsystem als Instrument der sozialen Abschottung zu etablieren. Begabungen, Chancengleichheit und Ausgleich minderbemittlter Herkunftsverh\u00e4ltnisse spielten keine<\/strong> Rolle und wurden geflissentlich ignoriert. Die Auslese nach gesellschaftlicher Herkunft und Reichtum war die eigentliche Funktion des dreigliedrigen Schulsystems. Die alten Sprachen Latein und Altgriechisch dienten als „Selektionsrampe“ nach der Elementarschule, weil das einfache Volk kaum Zugang zu altsprachlichen Privatlehrern f\u00fcr die Vorklassen hatte, und weil die systematische Geringsch\u00e4tzung der „realistischen Bildung“ in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik den Auslesemechanismus intensivierten.<\/p>\n Es waren schlie\u00dflich die Naturwissenschaftler und Techniker, die das starre, dreigliedrige Schulsystem Ende des 19. Jahrhunderts unter Druck setzten: Industrialisierung und die herausragenden wissenschaftlich-technischen Leistungen der Deutschen zwangen die Obrigkeit zu Ma\u00dfnahmen, die die Durchl\u00e4ssigkeit der Schule erh\u00f6hten. Es entstanden Realgymnasien und Oberrealschulen, die wie das grundst\u00e4ndige Gymnasium (=humanistisches Gymnasium) zum Reifezeugnis f\u00fchrten und das Studium erlaubten.<\/p>\n In dieser Zeit geriet auch das Humboldtsche Bildungsideal unter Druck: Aus dem Londoner Exil kritisierte ein deutscher Philosoph aus Trier in seinen Schriften die einseitige Sichtweise Humboldts und forderte „polytechnischen Unterricht“ f\u00fcr die Menschen. Es sei klar abzusehen, da\u00df die kapitalistische b\u00fcrgerliche Gesellschaft in eine dauerhafte Phase des raschen technologischen Fortschritts eintreten werde. Das Bildungssystem k\u00f6nne diesen Proze\u00df nicht ignorieren, sondern m\u00fcsse den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht dem geisteswissenschaflichen Unterricht gleichstellen und berufliche Lehrstoffe in den Unterricht einflie\u00dfen lassen. Aus diesen kritischen Einzelstimmen entwickelte sich zu Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, als der Erste Weltkrieg das Kaiserreich verschlungen hatte, die Bewegung der Reformp\u00e4dagogik. Das zentrale Anliegen der unterschiedlichen reformp\u00e4dagogischen Str\u00f6mungen war die Abkehr von der reaktion\u00e4ren Schule des Kaiserreichs. Die Alternative sollte die „deutsche Einheitsschule“ sein, die vor allem bei den sozialdemokratischen und sozialistischen Reformp\u00e4dagogen ein wichtiges politisches Ziel war. Die wichtigsten Modifikationen am gegliederten Schulsystem zu Zeiten der Weimarer Republik:<\/p>\n – Die Errichtung der verbindlichen 4j\u00e4hrigen Grundschule Unter der faschistischen Diktatur Hitler-Deutschlands wurde das dreigliedrige bzw. in der Oberstufe f\u00fcnfgliedrige Schulsystem aufrechterhalten und weiter im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie differenziert.<\/p>\n Schon vor Kriegsende beschlossen die Alliierten nach der Befreiung der Deutschen vom Hitlerfaschismus die weitreichende Reorganisation des deutschen Bildungssystems. Die Siegerm\u00e4chte kannten aus dem eigenen Land alle zumindest Gesamtschulsysteme und wollten in ihrer Besatzungszone jeweils ihre Gesamtschulvariante etablieren.<\/p>\n Das scheiterte, besonders im erzkonservativen S\u00fcden Deutschlands, schon im Ansatz. Das dreigliedrige Schulsystem, besser: das gegliederte Schulsystem, erfuhr auf dem Territorium der sp\u00e4teren BRD eine vollst\u00e4ndige Restauration in die Form, die es zum Ende der Weimarer Republik besa\u00df. Die zentrale Maschine des gegliederten Schulsystems, die fr\u00fch einsetzende sozial selektive Dreigliedrigkeit, ist inzwischen mehr als 150 Jahre alt und treibt das deutsche Schulwesen unver\u00e4ndert wie auf Schienen… tja, definitiv nicht in die richtige Richtung. \u00a0 Woraus und wann ist eigentlich diese Trennung entstanden? Wer hat das eingef\u00fchrt? Das dreigliedrige Schulsystem ist uralt. Seine Anf\u00e4nge reichen in mittelalterliche Zeiten zur\u00fcck. F\u00fcr Adel und Klerus, nicht f\u00fcr das einfache Volk, existierten h\u00f6here Lehranstalten: die sogenannten Lyzeen (Sing. Lyzeum) und die Lateinschulen. Die alten Sprachen Latein und Griechisch und der Bibelunterricht vereinnahmten die Schulzeit. „Klosterschulen“ hie\u00dfen in<\/p>\n","protected":false},"author":6,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[34],"tags":[],"yoast_head":"\n
Wer hat das eingef\u00fchrt?<\/span><\/p>\n
F\u00fcr Adel und Klerus, nicht f\u00fcr das einfache Volk, existierten h\u00f6here Lehranstalten: die sogenannten Lyzeen (Sing. Lyzeum) und die Lateinschulen. Die alten Sprachen Latein und Griechisch und der Bibelunterricht vereinnahmten die Schulzeit. „Klosterschulen“ hie\u00dfen in dem Zusammenhang Lyzeen bzw. Lateinschulen, die zu einem Kloster geh\u00f6rten und in denen zuk\u00fcnftige Amtstr\u00e4ger der Kirche ausgebildet wurden, n\u00e4mlich Priester (katholisch = Lyzeum) und Pfarrer (lutheranisch-protestantisch = Lateinschule). In jenen Zeiten des Mittelalters blieb dem einfachen Volk selbst eine grundlegende Bildung in den Kulturtechniken versagt. Gesellschaftlicher Aufstieg war, abgesehen von den Wegen in den Amtsadel oder die Geistlichkeit, unm\u00f6glich bzw. reiner Zufall (Vitamin B). <\/p>\n
(Dennoch: Wer Humboldt bez\u00fcglich des Schulsystems in den Mund nimmt, m u \u00df eigentlich die Sekundar-Gesamtschule unterst\u00fctzen.)
Humboldt pr\u00e4gte das Bild der „humanistischen Bildung“ am sogenannten „humanistischen Gymnasium“: Bildung um der Bildung willen, die Schule offen f\u00fcr alle, auf die Elementarschule soll f\u00fcr alle Sch\u00fcler das Gymnasium folgen, berufliche Bildung keinesfalls ehe das Abitur am Gymnasium abgelegt worden ist.
F\u00fcr die Hochschulen formulierte er die „Einheit von Forschung und Lehre“, freie Universit\u00e4ten und tiefsch\u00fcrfende 4j\u00e4hrige bzw. 5j\u00e4hrige, forschende Studienverl\u00e4ufe.<\/p>\n
Sp\u00e4testens die gewollte \u00d6ffnung des Schulwesens f\u00fcr den 3. Stand (B\u00fcrgertum, Bauerntum) rief die starken reaktion\u00e4ren Kr\u00e4fte auf die Matte. Zu der Zeit hatte Humboldt sein Amt als Leiter f\u00fcr „Kultus und \u00f6ffentlichen Unterricht“ l\u00e4ngst verloren, und die Reaktion, in unseren politischen Begrifflichkeiten: CDU+FDP, verkehrte Humboldts Schulplan ins Gegenteil:
Die Beweihr\u00e4ucherung des humanistischen Gymnasiums ist Humboldts kulturtheoretischer Sichtweise geschuldet und beschreibt Bildung als Weg des Menschen in der Gesellschaft. Er postulierte, daf\u00fcr m\u00fcsse der Mensch sich mit Philosophie, alten Sprachen, Sch\u00f6nen K\u00fcnsten und Kulturgeschichte befassen, und zwar einseitig. Keine „Realien“ (Mathematik, Physik, Technik, …).<\/p>\n
Andere Stimmen wurden laut, die das dreigliedrige Schulsystem des Kaiserreichs als veraltete „Paukschule“ analysierten. Die Talente der Sch\u00fcler w\u00fcrden systematisch ignoriert und unterdr\u00fcckt, um die Kinder schlie\u00dflich in die Bahnen von k\u00f6rperlicher Z\u00fcchtigung und blindem Gehorsam zu pressen.<\/p>\n
Die Weimarer Republik bewegte sich allerdings bildungspolitisch langsam, weil sie nie die konservativen Strukturen und Seilschaften des Kaiserreichs \u00fcberwinden konnte. Reformschulen blieben Einzelf\u00e4lle. Die verschiedenen Reformp\u00e4dagogen wirkten kaum zusammen, so da\u00df das dreigliedrige Schulsystem unangetastet blieb.
Moderner Lehrstoff und liberales Denken flossen in das \u00f6ffentliche Schulsystem nur durch die Lehrpl\u00e4ne ein. Die erhoffte geistige Erneuerung fand praktisch ausschlie\u00dflich an den Universit\u00e4ten und im Wirkungskreis der Intellektuellen (Kunst und Kultur, Forschung) statt.<\/p>\n
– Die weitere Aufgliederung des urspr\u00fcnglich dreigliedrigen Schulsystems (Oberschule, Aufbauschule)
– Die Wortsch\u00f6pfungen Unterstufe-Mittelstufe-Oberstufe
– Der Aufwind moderner Fremdsprachen<\/p>\n
Die Bildungshoheit ging zur\u00fcck an die Bundesl\u00e4nder, der Lehrstoff wurde grundlegend geisteswissenschaftlich ausgelegt, F\u00e4cher wie Mathematik, Physik, Chemie etc. verloren an Bedeutung, die Oberstufe des Gymnasiums wurde in ein Kurssystem \u00fcberf\u00fchrt, l\u00e4nder\u00fcbergreifend „koordiniert“ die Kulturministerkonferenz die bundesrepublikanische Bildungspolitik. In den 60er Jahren erfolgte eine Umwandlung der hundert Jahre alten Volksschule in die Hauptschule.<\/p>\n
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