Das INGA-Rätsel ist gelöst

Photovoltaik-Forschung: Durchbruch bei Dünnfilm-Solarzellen

Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist ein wichtiger Durchbruch bei der Suche nach effizienteren Dünnschicht-Solarzellen gelungen. Computersimulationen zum so genannten Indium- Gallium-Rätsel weisen einen neuen Weg zur Effizienzsteigerung von CIGS-Dünnfilm-Solarzellen, berichtet drei Universität in einer Pressemitteilung. Bisher liege der Wirkungsgrad der CIGS- Zellen bei etwa 20 Prozent, während im Prinzip Wirkungsgrade von über 30 Prozent möglich seien. Die Arbeiten der Mainzer Wissenschaftler, die im Rahmen des mit Bundesmitteln geförderten comCIGS2-Projekts erfolgen, wurden in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

 

Theoretisch möglicher Wirkungsgrad noch lange nicht erreicht

Dünnschicht-Solarzellen haben einen stetig wachsenden Anteil am Photovoltaik-Markt. Da sie nur wenige Mikrometer dick sind, sparen sie Material- und Herstellungskosten. Den höchsten Wirkungsgrad von derzeit etwa 20 Prozent erzielen CIGS-Dünnfilm-Solarzellen, in denen das Sonnenlicht durch eine dünne Schicht absorbiert wird, die aus Kupfer, Indium, Gallium, Selen und Schwefel besteht. Der theoretisch mögliche Wirkungsgrad sei aber noch lange nicht erreicht, betonen die Mainzer Forscher. In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Felser werden an der Universität Mainz die Eigenschaften des CIGS-Materials, dessen genaue Formel Cu(In,Ga)(Se,S)2 lautet, mit Hilfe von Computersimulationen untersucht. Die Arbeiten sind Teil des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) geförderten comCIGS- Projektes, in dem die Firmen IBM Mainz und die Schott AG gemeinsam mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie und der Universität Jena an der Optimierung von CIGS-Solarzellen forschen. Dabei beschäftigte die Wissenschaftler speziell das seit Jahren ungeklärte Indium-

Gallium-Rätsel: Obwohl bisherige Rechnungen ein optimales Indium- Gallium-Verhältnis von 30:70 vorhergesagt haben, finde man in der Praxis die höchste Effizienz bei einem genau umgekehrten Verhältnis von 70:30.

Unterstützt durch die IBM Mainz stellte Christian Ludwig im Arbeitskreis Felser nun neue Rechnungen mit Hilfe eines Hybridverfahrens an, das eine Kombination aus Dichte-Funktional- Rechnungen und Monte-Carlo-Simulationen ist. „Mit Dichte-Funktional- Rechnungen werden quantenmechanisch die Energien lokaler Strukturen berechnet. Die Ergebnisse dienen dazu, um mit Monte-Carlo-Simulationen Temperatureffekte auf großen Längenskalen zu bestimmen“, erläutert Dr. Thomas Gruhn, Leiter der Theoriegruppe im Arbeitskreis Felser, die verwendete Methode. Christian Ludwig bedient sich bei seinen Untersuchungen eines Großrechners, den die Universität kürzlich von IBM im Rahmen eines Shared University Research (SUR) Wissenschaftspreises erhalten hat.

 

Produktion bei höheren Temperaturen fördert die Homogenität des Materials

Mit Hilfe der Simulationen wurde herausgefunden, dass die Indium- und Gallium-Atome nicht gleichmäßig im CIGS-Material verteilt sind. Knapp unterhalb der normalen Raumtemperatur existiere eine Phase, in der Indium und Gallium komplett getrennt vorliegen. Oberhalb der Entmischungstemperatur bilden sich verschieden große Cluster aus Indium- oder Gallium-Atomen. Je höher die Temperatur, desto homogener werde das Material. Es konnte nun gezeigt werden, dass das galliumreiche CIGS stets inhomogener als das indiumreiche CIGS ist. Die höhere Inhomogenität verschlechtert die optoelektronischen Eigenschaften des galliumreichen Materials, was zu der bis dato unverstandenen schlechten Effizienz der galliumreichen CIGS-Zellen beiträgt. Aus den Berechnungen ergibt sich auch ein konkreter Hinweis für die Herstellung der CIGS-Solarzellen. Findet der Herstellungsprozess bei höherer Temperatur statt, so wird das Material deutlich homogener. Wenn es danach hinreichend schnell abgekühlt wird, bleibt die gewünschte Homogenität erhalten.

In der Praxis war die Prozesstemperatur bisher stets durch die begrenzte Hitzebeständigkeit des Glases limitiert, das als Trägermaterial für die Solarzellen dient. In dieser Hinsicht ist nun kürzlich ein entscheidender Durchbruch gelungen. Die Schott AG hat ein spezielles Glas entwickelt, mit dem die Prozesstemperatur auf deutlich über 600°C erhöht werden konnte. Das Ergebnis sind wesentlich homogenere Zellen.

Ein neuer Effizienzrekord für die Zellen sei damit zum Greifen nah, so die Mainzer Forscher. Aber das comCIGS-Projekt denke schon weiter. „Zurzeit wird an großformatigen Solarzellen gearbeitet, die die marktüblichen Zellen an Effizienz überbieten sollen“, kündigte Gruhn an. „Die Chancen dafür stehen gut.“

16.07.2010 | Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU); Foto: Daystar | solarserver.de © Heindl Server GmbH