Die neue Bayerische Mittelschule

Die neue Bayerische Mittelschule: Der Weg in die Zukunft?

 

16 Bundesländer, 16 Schulsysteme, vier oder sechs Jahre Grundschule, acht oder neun Jahre Gymnasium und die verschiedensten Schulsysteme.  In Deutschland steht das Bildungswesen unter der Kulturhoheit der Bundesländer. Sowohl die Bezeichnungen für einzelne Schultypen als auch deren Inhalte unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Nehmen wir einmal an, eine Familie mit schulpflichtigen Kindern trage sich mit dem Gedanken in ein anderes Bundesland umzuziehen – da freut sich doch das Elternherz über das föderale Bildungssystem.

 

In Bayern mussten in den letzten Jahren 500 Hauptschulen schließen. Die Landesregierung will der Schwindsucht seiner verbleibenden rund 900 Hauptschulen nun begegnen, indem sie sie zu Mittelschulen aufwertet. Wenn die Mittelschule ab dem Jahr 2010 eingeführt wird, gibt es in Bayern de jure sieben verschiedene Schulformen unterhalb des Gymnasiums. Die Hauptschule und die Hauptschule mit P-Klassen; die Verbund-Mittelschule und die Mittelschule; die Realschule und die Wirtschaftsschule sowie die Sonderschule.

 

Ziel des Kultusministers ist es, künftig die Hauptschulen flächendeckend einzeln oder in Schulverbünden zu Mittelschulen weiterzuentwickeln. Diese sollen den Schülern eine breite Palette pädagogischer Elemente in ihrem Bildungsangebot garantieren. Das Gütesiegel „Mittelschule“ erhält eine Hauptschule, wenn sie bestimmte Kriterien aufweisen kann. Erfüllen die Hauptschulen die Kriterien, dann heißen sie ab 2010 Mittelschulen – und vergeben zusätzlich einen neuen mittleren Schulabschluss.

 

Die Reform wird von den Lehrerverbänden heftig kritisiert, bisher habe kein Reformversuch dazu geführt, den dramatischen Schülerschwund und das massenhafte Schulsterben bayerischer Hauptschulen zu verhindern. Der Kabinettsbeschluss zur „Mittelschule“ ist aus Sicht des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) ein problematischer Versuch, die Hauptschule attraktiver zu machen. Es wird wertvolle Zeit vergeudet, bis durch eine tiefgreifende Reform des bestehenden Schulsystems mit all seinen Widersprüchlichkeiten endlich eine zukunftsfähige Entwicklung der Bildungslandschaft in Bayern eingeleitet werden kann. Die Schullandschaft wird mit der Mittelschule lediglich um einen neuen Schultyp reicher. Damit wird auch die Aufsplitterung der Schüler noch extremer. Der BLLV ist der tiefen Überzeugung, dass mit einer weiteren Differenzierung der Hauptschule die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigt werden können. Dringend erforderlich wären integrative Modelle.

 

Seit langem fordert auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ein Ende der Zuordnung von zehnjährigen Kindern an unterschiedliche Schularten und kritisiert den ausufernden Föderalismus im deutschen Schul- und Bildungswesen. Sechzehn zum Teil völlig verschiedene Schulsysteme, über die nicht einmal Spezialisten einen Überblick haben können, stiften Verwirrung, kosten unglaublich viel Geld und nutzen keinem Menschen.

 

Gemäß einer repräsentative Umfrage von Forsa fordern 91 % der befragten Eltern eine bundesweite Vereinheitlichung des Schulsystems und zwei Drittel eine längere gemeinsame Schulzeit. Fast 70 % der Befragten finden das Schulsystem veraltet und über die Hälfte würde ihr Kind auf eine Privatschule schicken, wenn sie es sich leisten könnten. Gele Neubäcker, Vorsitzende der GEW Bayern: „Wenn so viele Eltern das Vertrauen in die öffentlichen Schulen verloren haben, kommt das einer Bankrotterklärung des deutschen Schulwesens gleich. Wir fordern Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker aller Bundesländer und aller demokratischen Parteien auf, umgehend zu reagieren und gemeinsam eine Schulreform auf den Weg zu bringen, die ihren Namen auch verdient: Eine gute Schule für alle Kinder und Jugendlichen! Eine solche Schule verzichtet auf das permanente Auslesen und Zuweisen – zugunsten einer individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen. Wissenschaftliche Begründungen für eine solche Schule und Beispiele aus anderen Ländern gibt es in Hülle und Fülle.“

 

Kritik an den Schulsystemen ist wohl so alt wie diese selbst, bereits Seneca -ein römischer Philosoph und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit, übte durch seinen berühmten Ausspruch „Non vitae, sed scholae discimus“ Kritik am damaligen Schulsystem, das seiner Meinung nach nicht die Interessen der Schüler, sondern die des etablierten Systems berücksichtigte. Wie die Zeiten sich doch gleichen.