Breitbandausbau – ein deutsches Trauerspiel

Breitband

Früher, in der „guten alten Zeit“, war die Versorgung der Bundesbürger eine Aufgabe des Staates, im Grundgesetz manifestiert. Neben der Bundesbahn und anderer Bundesbehörden, die der Versorgung der Bevölkerung dienten, gab es auch die Bundespost. Diese teilte sich auf in eine defizitäre gelbe Post und eine sehr gewinnbringende graue Post. Das westdeutsche Fernmeldewesen war hoch effizient und innovativ. Mit der ISDN-Technologie war Deutschland weltweit mit vorn dran.

Die nach dem 2. Weltkrieg angestrebte Soziale Marktwirtschaft, erlaubte eine Wirtschaft unter Wettbewerbsbedingungen, die jedoch den Bewohnern dienen sollte. Im Vordergrund stand der soziale Fortschritt und als Voraussetzung dessen, die nicht unbedingt gewinnorientierte Daseinsfürsorge der Bevölkerung mit erschwinglichen Zugfahrscheinen, guten Bahnverbindungen, billigen Postgebühren, flächendeckende Versorgung mit Telefonleitungen und vielen anderen Dienstleistungen, die zum täglichen Leben gehörten und die auch ein Wohlstandsniveau darstellten. Und da diese Aufgaben kein Geld brachten sondern der Bund eher draufzahlen musste, hatte die Privatwirtschaft auch kein Interesse diese öffentlichen Aufgaben zu übernehmen. Dies änderte sich jedoch, als die Wirtschaft mit dem Amtsantritt Helmut Kohls Morgenluft witterte. Die Möglichkeit auf die Bundesregierung Einfluss zu nehmen erhöhten sich stark. Mit der Niederlage des Sozialismus mit dem Fall der Mauer waren dem Neoliberalismus keine Schranken mehr gesetzt. Man forderte eine Deregulierung der Staatsaufgaben und die Öffnung für den Markt. „Die Privaten könne es besser“, lautete die Devise. Was für eine Fehleinschätzung! Getrieben von der Regierung Gerhard Schröder/Joschka Fischer und der konservativen Presse wurde alles verschleudert.

Es begann der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums: Stromversorgung, Bahn, Wohnbaugesellschaften, Krankenhäuser und eben auch die Post. Plötzlich gab es mehrere Anbieter, die im Preiskampf miteinander stehen.  Schon 1988 versprach Edmund Stoiber seinem Gott Franz-Josef Strauß die Unterstützung der CSU durch das Privatfernsehen, speziell durch RTL. Kanzler Kohls Spezl  Kirch konnte mit Hilfe der Politik ein Imperium aufbauen. Die Spenden flossen reichlich.

Tatsächlich haben die Privatisierung und die Deregulierung für den Bürger nur Nachteile und eine Verschlechterung der Lebensqualität gebracht. Ausgefallene und verspätete Züge, hundsmisserable Qualität der Fernsehbeiträge, schlechte und langsame Telefon- und Funknetze, fehlende Sozialwohnungen,  ein kollabierendes Gesundheitssystem mit Wartezeiten für den Facharzt jenseits des Erträglichen, eine verschlafende Energiepolitik der Stromversorger und schwache, anfällige Energienetze. Die Regulierungsbehörden sollten im Interesse des Gemeinwohls in das Geschehen steuernd eingreifen oder den Markt überwachen. Tatsächlich sitzen in den Regulierungsbehörden und Bundesämtern Lobbyisten, die  tatsächlich regulieren, jedoch im Sinne der Wirtschaft. Das seit 10 Jahren von CSU-Ministern geführte Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gilt ohnehin als Amtssitz der Automobilindustrie. Der jetzige Minister „Audi“ Scheuer, schlittert vom Abgasskandal in den Mautausschuss.

Die kapitalistische Wirtschaft, die nun die Soziale Wirtschaft abgelöst hat, kennt ihre Schwächen. Der Preisdruck im Konkurrenzverfahren und der Zwang Dividenden für die Aktienglücksritter auszuschütten ist enorm. Zum Glück fand sie einen politischen Ausweg: Investitionen und Innovationen sollen die Kommunen übernehmen, es reicht wenn die Gewinne reichlich sprudeln. „Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren“, lautet das Credo. Auch bekannt von der Bankenkrise.

Die Bürgermeister sind unter Druck geraden weil die Bürger unzufrieden sind mit ihrer Daseinsfürsorge, besonders auf dem Land. Viele Bürgermeister sehen sich zudem im Konkurrenzkampf mit den Nachbargemeinden, das Zauberwort heißt Standortvorteil. Wer Gewerbesteuer will, braucht Gewerbegebiete; und die brauchen neben einer guten Verkehrsinfrastruktur auch ein schnelles Internet. Nicht nur junge Menschen wollen Streamen und Surfen. Die unsinnige Lösungsmöglichkeit dieses Zustandes lautet, das Breitbandnetz selbst herzustellen und damit die  Betreiber anzulocken und zu überlassen. Noch frecher ist die Forderung der Wirtschaft, dass Kommunen Masten für das LTE- oder 5G-Netz erstellen, die dann von den Anbietern vermarktet werden. 

Damit schließt sich der Kreis. Die Privaten können nichts besser. Das Niveau Deutschlands ist mit der Privatwirtschaft international drittklassig geworden. Jedes staatliche Netz in Vietnam ist schneller und billiger als hier. Dieser Missstand wäre aber nicht möglich, wenn sich die Politik für die Bürger und nicht für die Wirtschaft eingesetzt hätte. Dabei waren sich die CSU/CDU und die SPD/Grüne selten einiger. Würde es nach der FDP gehen, würde die Bundesregierung privatisiert.

Für die Bürgerliste stellt sich die Frage was können wir tun und als Gemeinderat der Bürgerliste ist man in einem Dilemma: zum einen sollte man sich der nach EU-Recht eigentlich verbotenen Beihilfe für die Wirtschaft verweigern, andererseits können wir uns den Fakten nicht entziehen.